Edmund Husserl (1859 -1938) ist der Begründer der Phänomenologie, einer der einflussreichsten philosophischen Denkrichtung der Moderne.

Was interessiert mich an Husserls Phänomenologie und wie finden sich Husserls Themen in meinen Bildern wieder?

1. Analyse der Wahrnehmung

Die Phänomenologie unterscheidet bei der Wahrnehmung zwischen anschaulich Wahrgenommenen und Vergegenwärtigungen, also Assoziationen und Fantasien.

Husserl weist darauf hin, dass es beim anschaulich Wahrgenommenen unmöglich ist, einen Gegenstand in seiner Vollständigkeit wahrzunehmen. Zum Beispiel sehe ich nur die Vorderseite eines Gegenstands. Ähnlich muss ich als Maler den 3D-Raum in 2D darstellen und damit entscheiden: was stelle ich dar und was verberge ich. Welche Perspektive nehme ich ein, im geometrischen wie im übertragenen Sinn? Das sind entscheidende Fragen beim Bildaufbau.

Außerdem gehen meine verschiedenen Sichtweisen als Maler und Physiker in ein Bild ein. Ein Beispiel ist das oben gezeigte Bild ‚Ammonit’.

Als Maler gefällt mir als erstes die Form des Ammoniten. Die Farben der einzelnen Segmente male ich nach eignem Gefühl der Farbkomposition.

Als Physiker erinnert mich der Aufbau des Gehäuses an die in der Mathematik so wichtige Exponentialfunktion, nach der in der Natur viele Wachstumsprozesse ablaufen. Außerdem deutet diese mathematische Funktion auf den radioaktiven Zerfall des Kohlenstoffs, der ebenfalls der Exponentialfunktion gehorcht und der bei der C14 Methode zur Alterbestimmung von Versteinerungen verwendet wird.

Es ist mein Ziel, die verschiedenen Urteilsweisen, ästhetische und wissenschaftliche (und in anderen Bildern auch noch gesellschaftliche), in einem Bild zu vereinen. Die Reflexion über die verschiedenen Aspekte verbindet sich dabei mit dem Prozess des Malens.

2. Geometrie

Als studierter Mathematiker hat Husserl die Mathematik und die mathematisch-naturwissenschaftliche Methode im Blickpunkt seiner Philosophie. Dabei sah er die Geometrie noch als anschaulichen Zweig der Mathematik, die sich dann durch die Algebraisierung der Geometrie und immer noch abstrakteren Entwicklungen von ihrem Ursprung, - der Messtechnik -, entfernte. Daher verwende ich geometrische Formen oder geometrische Zergliederungsverfahren als darstellerisches Moment.

Diese Technik verweist auch auf heutige Bildverarbeitungstechniken hin. Die Sensoren von Digitalkameras arbeiten beispielsweise mit Zergliederung der Fläche in einfache geometrische Strukturen (Pixel).

Bilder: Satz des Pythagoras , Satz des Thales , Große Welle in Delaunay Triangulation , Papagei in Delaunay Triangulation, alle Pixelbilder

3. Lebenswelt

Husserl unterscheidet zwischen der vorwissenschaftlichen, natürlichen Auffassung der Welt und dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Weltbild, das er vor allem von Galilei begründet sieht. Die vorwissenschaftliche Naturbetrachtung war ein Schauen oder Staunen über die Natur, die Natur sollte sich von selber offenbaren. Die neuen Wissenschaften zwingen dagegen die Natur dazu, mithilfe Theorie und Experiment auf Fragen zu antworten. Goethe forderte ebenfalls eine Naturschau und führte in diesem Zusammenhang eine heftige Polemik gegen die Physik Newtons. Bild: Newton: Zerlegung des weißen Lichts

Zum anderen dringen die mathematisch-naturwissenschaftlichen Methoden und Erzeugnisse immer mehr in die natürliche Welt ein und formen eine sich ständig verändernde Lebenswelt.

Bilder: Cyber-Raum: Handel , Cyber-Raum: Sonderangebote